Die Geothermie empfiehlt sich wärmstens
Pumpen in der Geothermie müssen hart im Nehmen sein. Doch in der Vergangenheit scheiterte so manche Pumpe an der unwirtlichen Umgebung dieser Energiegewinnung und verursachte immense Kosten. Heute befindet sich die Branche in einem Wandel. Für die Nutzung der Erdwärme werden mittlerweile spezielle Pumpen zur Serienreife gebracht.
Die Zeichen der Geothermie stehen weltweit auf Wachstum – und das in großem Umfang. Viele Länder werden „in die Nutzung der Geothermie einsteigen, andere werden diese Energieform weiter ausbauen“, prognostiziert der deutsche Bundesverband Geothermie.
Weltweites Wachstum
Die Wärmeerzeugung wuchs weltweit im Jahr 2015 im Vergleich zu 2010 laut den „Country Reports“ um 39 Prozent auf insgesamt ca. 70.300 MWt (Megawatt thermisch). China verdoppelte gar seine installierte Leistung auf rund 17.900 MWt. Indien verzeichnete im Vergleichszeitraum einen Anstieg um 272 Prozent auf knapp 1.000 MWt, die USA um 38 Prozent auf ca. 17.415 MWt, Frankreich um 74 Prozent auf rund 2.350 MWt und Deutschland um 14 Prozent auf 2.850 MWt. Das deutlichste Wachstum erzielte Thailand mit 5.060 Prozent auf allerdings insgesamt „nur“ 129 MWt.
Deutlich, aber nicht genauso eklatant, stieg weltweit die installierte geothermische Stromleistung von 2010 auf 2015. Sie kletterte um 16 Prozent auf insgesamt 12.600 MWt installierte Leistung. In den USA legte sie um 11 Prozent auf insgesamt 3.450 MWt zu, in Mexiko um 6 Prozent auf etwas über 1.000 MWt, in Kenia um 194 Prozent auf rund 600 MWt, in Deutschland um 280 Prozent auf 27 MWt und in Italien um 9 Prozent auf knapp 920. Heute gibt es laut Bundesverband Geothermie in 24 Ländern der Erde große Kraftwerke, die Strom mit der Wärme der Energie erzeugen.
Ständige Verfügbarkeit
In Deutschland lässt sich die wachsende Nachfrage nach Geothermie auch auf die Energiewende zurückführen. Die Geothermie soll den Mix der erneuerbaren Energien aus Windkraft und Solarenergie ergänzen. Der Weg wurde bereits eingeschlagen – derzeit sind 30 Anlagen geplant, zwei befinden sich im Bau und vier dienen als Forschungsprojekte. Sie sollen die bestehenden 33 Anlagen ergänzen. Die Geothermie hat einen Vorteil gegenüber den übrigens erneuerbaren Energien. Das ist „die ständige Verfügbarkeit, unabhängig von klimatischen Verhältnissen und von Tages- und Jahreszeit“, bilanzieren die Stadtwerke München.
Zeit also für eine Wende. Das haben die mit der Geothermie verbundenen Branchen vor einigen Jahren erkannt. Denn in der Vergangenheit waren Betreiber der Erdwärmeanlagen gezwungen, Pumpen aus der Öl- und Gasindustrie zu nutzen, die nicht auf die Besonderheiten der Geothermie ausgelegt waren. „Verglichen mit dem Erdölsektor arbeiten Pumpen in der Geothermie bisher wenig effizient und verschleißen frühzeitig“, berichtet der BINE Informationsdienst, dessen Herausgeber die FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH ist, und der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Spezielle Pumpen für Erdwärmenutzung Geothermie waren Fehlanzeige.
Störanfällige Pumpen
Entsprechend hoch war die Anfälligkeit der Pumpen, manche Pumpen fallen bereits nach wenigen Monaten aus. Im Geothermiekraftwerk Unterhaching hätten seit dem Betriebsstart 2007 zehn ESP-Pumpen (Electro-Submersible Pump) laut Betreiber „den Geist aufgegeben“, schrieben noch vor wenigen Jahren die VDI-Nachrichten. Oft seien kaputte Frequenzumrichter, defekte Lager oder heiße Wicklungen die Ursache gewesen. „Die Ausfälle kosten richtig Geld.“ Für eine Pumpe ist rund eine Million Euro zu investieren.
Nicht nur die Technologie, sondern bereits die Dimensionierung machen Pumpen in der Geothermie zu einer kostspieligen Komponente. So ist beispielsweise die noch recht junge Pumpe mit Motor in der Geothermieanlage Freiham rund 45 Meter lang und hat mit Gestänge ein Gesamtgewicht von ca. 50 Tonnen. Mit einem Schwerlastkran musste sie in eine Tiefe von 600 Metern unter der Erdoberfläche hinabgelassen werden. Hier fördert die Pumpe das etwa 90 Grad Celsius heiße Thermalwasser aus einer Tiefe von 2.500 Metern an die Oberfläche.
Hohe Temperaturen, aggressive Gase
Allein schon die Fördertiefen lassen erahnen, welchen Herausforderungen Pumpen ausgesetzt sind und machen nachvollziehbar, warum Pumpen aus der Öl- und Gasindustrie nicht unbedingt die beste Wahl sind. Hohe Temperaturen und Förderraten, aggressive Gase und kristallisierte Salze verlangen von Pumpen die optimale Performance.
Es muss also an Lösungen für spezielle Pumpen in der Geothermie getüftelt werden – zahlreiche Hersteller arbeiten fieberhaft an widerstandsfähigen Komponenten. So wie Baker Hughes, um ein Beispiel zu nennen. Der Entwickler spezieller Geothermiepumpen errichtete auf seinem Gelände einen Hochtemperatur-Teststand, auf dem komplette Pumpensysteme unter praxisähnlichen Bedingungen erprobt werden. „Feldtests erbrachten weitere Erkenntnisse über konstruktive Schwachstellen bisheriger Aggregate“, berichtet BINE in einer Projekt-Info. Dazu hätten Wissenschaftler defekte Pumpen aus deutschen Geothermieanlagen geborgen, in die Einzelteile zerlegt und die Fehlerquellen analysiert. „Auf Grundlage dieser Daten entwickelten sie dann modifizierte Prototypen, die einen deutlich höheren Wirkungsgrad und eine längere Lebensdauer versprechen.“ Dabei hätten sich die Entwickler auf die Bedingungen konzentriert, wie sie in den hydrothermalen Anlagen in Süddeutschland vorherrschen. Dort lägen die Temperaturen des Thermalwassers zwischen 120 und 140°C und sei es sehr kalkhaltig. Die Arbeiten erfolgten in Zusammenarbeit mit den Geothermieanlagen in Oberhaching, Dürrnhaar, Sauerlach, Grünwald und vor allem der Anlage in Unterhaching, so BINE.
Temperatur- und Druckschwankungen
Die Folgen des Thermalwassers, das kaum Schmiereigenschaften bietet und in Süddeutschland gelösten Kalk enthält, sind gravierend. Der Kalk „schlägt sich an allen Komponenten nieder, insbesondere den Lagern. Die Ablagerungen erschweren deren Schmierung und Kühlung, was dann zur Zerstörung der Pumpenwelle führt“, berichtet BINE. Außerdem dämme und behindere eine Kalkschicht auf dem Gehäuse des Motors den Wärmeabtransport.
„Die hohen absoluten Wassertemperaturen und die zyklischen Temperatur- und Druckschwankungen, die entstehen, wenn die Anlage stillsteht oder mit verminderter Leistung arbeitet, stellen für Pumpenlager, Dichtungen und die Isolation des Motors eine Belastung dar.“ Thermalwasser enthält überdies gelöste Gase. „Diese diffundieren im Laufe der Zeit in das Öl, mit dem der Motor gefüllt ist. Bei Druckabfall vergrößert sich das Volumen der Gase und verdrängt das Öl aus dem Motor.“
Neuer Lageraufbau für Motor
Grundsätzlich gilt für Geothermieanlagen, dass die Förderleistung von Pumpen variiert – je nach dem aktuellen Wärmebedarf von Kraftwerk und Wärmenetz. „Dadurch unterliegen die Pumpen häufigen Start- und Stoppvorgängen bzw. Phasen mit reduzierter Leistung“, erklärt BINE Die hieraus folgenden wechselnden Drehzahlen des Motors sowie die Schwankungen von Motortemperatur und Druck belasten die Aggregate. Um die Pumpen in der Tiefe überwachen und Wartungsmaßnahmen rechtzeitig einleiten zu können, bedürfe es hochtemperaturfähiger Messsensoren, die eine Vielzahl von Messgrößen mit einer hohen Datenübertragungsrate liefern.
Am Ende ergab sich ein positives Ergebnis. So wurde beim Motor der komplette Lageraufbau neu konstruiert – und seither gab es keine Ausfälle mehr. „Eine Pumpe mit optimierten Lagern hat in einer süddeutschen Anlage über vier Monate ohne Ausfälle gearbeitet. Die bisherigen Schwachstellen in der Isolierung wurden beseitigt“, so der Informationsdienst.
15-stufige Flex-Pumpe
Weitere Verbesserungen laut BINE: Die neuen Balgdichtungen ermöglichen eine sichere Druckkompensation und werden durch Druckbegrenzungsventile geschützt. Veränderungen habe es auch an den Gleitringdichtungen gegeben. Weiterentwickelt wurde die Messtechnik zu einem Hochtemperatursensor. Kommt es zu einem Kurzschluss im Motor, soll die Sensorelektronik sicher vor bis zu 8 kV schützen. Am Ende der Entwicklung stand eine neu entwickelte 15-stufige Flex-Pumpe. Erstmals kam sie in der Geothermieanlage Oberhaching zum Einsatz. Sie ist in der Lage, auch bei schwankendem Fördervolumen mit hoher Effizienz und sehr flexibel zu arbeiten. Dabei hat sie einen Wirkungsgrad von 80% erreicht.
Weitere Verbesserungen habe es durch einen neuen Mittelspannungs-Frequenzumrichter für eine höhere Betriebsspannung, die bessere Auslegung der Betriebsparameter sowie eine Prognosekonzept für präventive Wartungs- und Reparaturarbeiten gegeben, so BINE. Bis 2017 wurden zentrale Komponenten zur Serienreife weiterentwickelt.
Reinjektions-, Kondensat- und Kühlwasserpumpen
Auch KSB sieht die Geothermie als Energiequelle „mit nahezu endlosem Potenzial“. Potenzial gibt es – natürlich – auch beim Einsatz von Pumpen. So kämen, so das Unternehmen, bei direkten Geothermieanlagen, in denen Thermalwasservorkommen mit Temperaturen bis 250 Grad Celsius genutzt würden, zahlreiche Pumpen zum Einsatz: Dazu gehören Reinjektionspumpen, „die das abgekühlte Thermalwasser ins Erdreich zurückfördern“, Kondensatpumpen, „deren Materialien dem mineralhaltigen Thermalwasser standhalten“ sowie Kühlwasserpumpen, „die sich bereits in vielen konventionellen Kraftwerken bewährt haben.“
Auch für binäre Geothermieanlagen bei einer Thermalwassertemperatur bis 180 °C werden verschiedene Pumpen benötigt. Bei diesen Anlagen wird die Wärme an einen zweiten Kreislauf, einen Organic Rankine Cycle (ORC) oder einen Kalina-Kreislauf weitergegeben. Die Anlage verwendet Medien, die bei niedrigeren Temperaturen als Wasser verdampfen und eine Turbine antreiben, erläutert der Pumpenhersteller.
Pumpen für binäre Geothermieanlagen
„Spezielle Speisepumpen fördern Medien wie Isobutan, Isopentan oder Wasser-Ammoniak-Gemische und sorgen für Zirkulation in diesem Kreislauf“, so KSB. Umwälzpumpen könnten die Restwärme zur Fernwärmeversorgung nutzen, während Reinjektionspumpen für die Rückführung des abgekühlten Thermalwassers in die Erde sorgten. Der zweite Kreislauf entfalle, wenn ein Wärmetauscher die Erdwärme direkt weitergebe, beispielsweise zur Fernwärmeversorgung oder Nutzung in industriellen Prozessen. Pumpen, die letztendlich benötigt werden, um die Energiewende auch mittels des Wärmemarktes umzusetzen. Sehr aktiv auf dem Wärmemarkt sind beispielsweise die Stadtwerke München, die eine Fernwärme-Vision entwickelte: „Bis 2040 soll München die erste deutsche Großstadt werden, in der Fernwärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Den wesentlichen Beitrag für die Ökowärme wird Geothermie liefern“, betont SWM.
München setzt auf Geothermie
Die SWM planen eine langfristige Umstellung der Fernwärme auf regenerative Energiequellen. Ziel ist es, „die ohnehin schon sehr gute Klima- und Ressourcenbilanz der Fernwärme noch einmal erheblich zu verbessern. Aufgrund der besonderen Lage Münchens und der Region wird die Geothermie den wesentlichen Beitrag leisten: In München und dem Umland sind die geologischen Voraussetzungen so gut wie in nahezu keiner anderen Region Deutschlands.“
Beste Bedingungen also für die süddeutsche Stadt: „München sitzt auf einem riesigen Vorrat dieser umweltfreundlichen Energieart“. In einer Tiefe von 2.000 bis über 3.000 Metern besitzt das Wasser 80 bis über 100 Grad Celsius. Die Wärme aus diesem Thermalwasser lasse sich optimal zum Heizen nutzen. Dazu werde das Wasser an die Oberfläche gepumpt und über Wärmetauscher geleitet, wobei ihm die Energie entzogen werde. Abgekühlt werde es wieder in die Tiefe zurückgeführt. „Somit ist Erdwärme ein Kreislauf ohne Eingriff ins Ökosystem“, so SWM.
Anlagen von Holzkirchen 2019 in Betrieb
München hat also große Pläne und setzt sie in den nächsten Jahren um. So wird zunächst ab 2018 eine weitere Geothermieanlage beim Heizkraftwerk Süd entstehen und soll bereits Ende 2019 in Betrieb gehen. Die erwartete Thermalwassertemperatur liegt bei über 95°C. Die Anlage befinde sich im Schnittpunkt dreier Netze: Bis zu 50 Megawatt könnten hier in die Netze Innenstadt, Sendling und Perlach eingespeist werden. Drei weitere Geothermieanlagen wollen die SWM bis 2025 bauen.
In Holzkirchen, gelegen im süddeutschen Molassebecken, ist ein fünftes ORC-Kraftwerk (Organic Rankine Cycle) geplant. Die Leistung soll 3,4 MW elektrisch betragen und insbesondere im Sommer die Wärme aus der Förderbohrung verwerten. Im Winter wird die Wärme für die Fernwärmeversorgung verwendet. Das Kraftwerk soll bis zum ersten Quartal 2019 von Geothermie Holzkirchen in Betrieb gehen.
Hohe Fündigkeit bei Bohrung
Der Bohrtechnik- und Geothermiespezialist Daldrup & Söhne hat die Weichen für eine Erdwärmenutzung im niederländischen Bohrprojekt Nature’s Heat gestellt. Bohrungen ergaben, dass hier die Fündigkeit bei mindestens 110 Liter/sec. Förderleistung und einer Thermalwassertemperatur von circa 86 Grad Celsius liegt. Damit befinde sich das Projekt „weit über dem prognostizierten Durchschnittswert von 60 Liter/sec“, berichtet das Unternehmen. So könnten die Betreiber zukünftig rund 20 MW thermische Leistung anstatt der kalkulierten 12 MW für ihre Gewächshäuser nutzen. Mit der großen Menge Thermalwasser werde parallel als Nebenprodukt das ca. 1,2-fache Volumen an Erdgas gefördert. Dieses Gas werde separiert und von dritter Seite zur Stromerzeugung genutzt. Das Gesamtprojekt weise aufgrund dieser Fündigkeitsspezifikation „eine überdurchschnittliche Effizienz“ auf.
Die Geothermie hat also längst die Startblöcke verlassen. Dennoch: Sie befindet sich noch am Anfang ihrer Möglichkeiten, empfiehlt sich aber bereits wärmstens als erneuerbare Energie. Je zuverlässiger sich die Pumpen als wesentliche und teure Komponente erweisen, desto attraktiver wird die Geothermie. Ein wichtiger Mosaikstein, keine Frage.
Text & Bild: Messe Düsseldorf GmbH