Tiefseebergbau und schonende Ressourcennutzung in der Arktis: Wie kann die maritime Branche diese anspruchsvollen Herausforderungen meistern? Beim Offshore Dialogue auf der Weltleitmesse SMM in Hamburg bewerten Experten am 6. September 2018 die Chancen und Risiken des Marktsegments.
Die Tiefen der Ozeane sind eines der großen Rätsel unserer Erde. Unter dem Motto „Pushing the limits – new maritime technologies for future needs“ diskutieren renommierte Experten beim Offshore Dialogue (OD), wie sich Tiefsee-Schätze und Ressourcen in der Arktis mit innovativer maritimer Technologie schonend erschließen lassen. Die in Kooperation mit der German Association for Marine Technology (GMT) organisierte Konferenz findet am 6. September im Rahmen der maritimen Weltleitmesse SMM statt.
Kostbare Knollen
Eine mögliche Rohstoffquelle der Zukunft liegt in 5.000 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund: die Manganknolle. Die höchste Dichte an Knollen findet sich vor der Westküste Mexikos, im Peru-Becken und im Indischen Ozean. Außer Mangan enthalten die Klumpen auch Eisen, Kupfer, Kobalt und Nickel. Und der technologische Fortschritt lässt den Abbau der wertvollen Erze wirtschaftlich zunehmend attraktiver erscheinen. Wie weit Industrie und Forschung in Sachen Tiefseebergbau sind, berichtet Heiko Felderhoff von der Reederei Harren & Partner in seinem Vortrag „Deep-sea mining of massive sulfides – a completly new technical approach“. Als Mitglied der DeepSea Mining Alliance (DSMA) forciert das Schifffahrtsunternehmen die Entwicklung von Tiefseebergbau-Projekten weltweit.
Das Ökosystem rund um die wertvollen Metallklumpen gilt als sehr fragil: Ändert sich die Knollendichte, wirkt sich das auch auf die Artenvielfalt der Tiefsee aus – zumal die Ressource nicht regenerativ ist: „Die Knollen wachsen bloß wenige Millimeter bis Zentimeter pro Millionen Jahre“, sagt Prof. Dr. Andrea Koschinsky von der Jacobs University Bremen, die in ihrem Vortrag „Challenging environmental aspects of responsible manganese nodules mining“ die ökologischen Hintergründe skizziert.Aus Sicht des Praktikers erläutert Joury Van Gijseghem, General Manager beim belgischen Meerestechnik-Spezialisten DEME Blue Energy, wie Komponenten beschaffen sein müssen, um einen verantwortungsvollen Abbau der Manganknollen zu gewährleisten.
In eisigen Gebieten
Weltweit sind hochqualifizierte Wissenschaftler den Geheimnissen der Tiefsee auf der Spur. Ihr wichtigstes Arbeitsgerät sind Hightech-Forschungsschiffe, die vielfältige Funktionen erfüllen und extremsten Bedingungen standhalten müssen. Die Investitionssummen für die Labore auf See sind enorm. Wie ein Schiff für die Polarforschung optimal geplant wird, erklärt Einar Vegsund, VP Design & Hydro bei Rolls Royce Marine. Das Unternehmen ist ein bedeutender Player in diesem Marktsegment: Zuletzt konzipierte es den neuen norwegischen Eisbrecher „Kronprins Haakon“, der auch als Vorbild für das rund 200 Millionen Pfund teure britische Forschungsschiff „Sir David Attenborough“ diente, das 2019 einsatzbereit sein soll.
Ein wesentliches Kriterium für den Bau von Schiffen dieser Art ist die Stabilität des Rumpfes, da in ihren Fahrtgebieten meterdickes Packeis an der Tagesordnung ist. Der Polar Code setzt hier seit
Januar 2017 den internationalen Standard für Schiffe und Offshore-Strukturen. IMO-Sicherheitsexpertin Sandra Allnut zeichnet in ihrem Vortrag dessen Entstehungsprozess nach.
Umweltfreundliche Antriebssysteme stellt Teus van Beek, General Manager Market Innovation bei Wärtsilä, in seinem Vortrag vor. Der Motorenhersteller gilt als einer der Vorreiter in Sachen Green Shipping. Die Finnen rüsten beispielsweise das deutsche Forschungs- und Vermessungsschiff „Atair“ aus, das 2020 in Dienst gestellt werden soll und als erstes bundeseigenes Schiff mit Flüssigerdgas (LNG) angetrieben wird.
Werften und Zulieferbetrieben, die an solch anspruchsvollen Schiffbauprojekten beteiligt sind, werden technologische Höchstleistungen abverlangt. Nils Reimer von der Hamburger Schiffbau-Versuchsanstalt schildert, auf welche Details es beim Bau ankommt und welche Schiffstypen für Forschung und Ressourcenabbau in der Arktis geeignet sind.
Nach Schätzungen des amerikanischen „Geological Survey“ sollen unter dem Boden des Eismeeres 13 Prozent der bislang unentdeckten Ölvorkommen liegen – beim Gas sind es sogar 30 Prozent. Wie lassen sich diese Ressourcen so achtsam nutzen, dass die Umwelt möglichst wenig Schaden nimmt? Das ist das Thema von Anu Fredrikson, Director Arctic Economic Council. Inwiefern der Klimawandel die Bedingungen für die Schifffahrt insgesamt verändert, analysiert Robert Tustin, Consultant Ship New Construction bei Lloyd’s Register. In jedem Fall müssten sich die Akteure frühzeitig auf neue Handelswege einstellen, so der Experte.
Vielversprechender Nischenmarkt
Tiefseebergbau und Nutzung arktischer Ressourcen: Beim OD bekommen die Besucher einen umfangreichen Überblick über das facettenreiche Thema und die wirtschaftlichen Chancen, die das Segment für die maritime Branche bereithält. Aus dem ehemaligen Nischenmarkt ist ein interessantes Wachstumsfeld geworden. Die dafür benötigten Produkte, Experten und Dienstleistungen finden die Fachbesucher während der SMM auf dem Hamburger Messegelände.
Bild & Text: smm-hamburg.com