Innovationen & Trends auf der EuroTier 2018
Prof. Dr. Eberhard Hartung, Vorsitzender der EuroTier-Neuheitenkommission; Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Die EuroTier stellt eindeutig den weltweit größten Neuheitenmarkt in den Bereichen Verfahrenstechnik, Betriebsmittel, Management und Software, Stalleinrichtungen sowie Stall- und Hallenbau für die gesamte professionelle Tierhaltung dar
Wie gewohnt hat auch die EuroTier 2018 wieder sehr viele Anmeldungen für Neuheiten aus dem In- und Ausland zu vermelden. Die große Anzahl von insbesondere sehr interessanten Weiterentwicklungen und wesentlichen Verbesserungen bereits bekannter Produkte zeigt vor allem, dass die Innovationsfreudigkeit der Hersteller im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung grundsätzlich ungebremst ist. Für die Auswahl der prämierten Neuheiten bzw. Produkte sind die Bedeutung für die Praxis, die Tiergerechtheit, die Auswirkungen auf die Betriebs- und Arbeitswirtschaft, die Umwelt und die Energiesituation entscheidend; eventuelle Auswirkungen auf eine Arbeitserleichterung und auf die Arbeitssicherheit werden bei der Prämierung ebenfalls mit in Betracht gezogen.
Zur EuroTier 2018 wurden nahezu 300 Anmeldungen für Neuheiten aus dem In- und Ausland verzeichnet. Neben den prämierten Neuheiten in Form einer Gold- oder Silbermedaille werden in das Neuheitenmagazin 2018 auch solche Produkte aufgenommen, die im Markt bereits bekannt, aber für das jeweilige Unternehmen neu sind.
Die auf der EuroTier 2018 mit einer Gold- oder Silbermedaille prämierten innovativen Produkte wurden bisher noch auf keiner anderen bedeutenden Messe oder internationalen Schau präsentiert und/oder ausgezeichnet. Die mit einer Gold- bzw. Silbermedaille ausgezeichneten Produkte müssen zum Zeitpunkt der Messe voll funktionsfähig und spätestens im Jahr 2019 auf dem Markt verfügbar sein.
Eine Premiere feiert bei der EuroTier 2018 – neben den EuroTier-Gold- und Silbermedaillen – die erstmalige Vergabe eines Sonderpreises, welcher für Produkte ausgelobt wird, die im besonderen Maße den Anforderungen an einen höheren Tierwohlstandard gerecht werden. Für diese Auswahl entscheidend sind Innovationen in den Bereichen Tiergerechtheit und Tiergesundheit. Produkte, die die Ausübung arttypischer Verhaltensweisen fördern und die Gesundheit der Tiere positiv unterstützen, werden damit besonders hervorgehoben. Der „Animal Welfare Award“ (Tierwohlmedaille) wird gemeinsam vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) und der DLG verliehen und wurde durch die – entsprechend personell erweiterte – Neuheitenkommission ausgewählt. Die Voraussetzung für die Vergabe dieses Awards ist die Prämierung mit einer EuroTier Gold- oder Silbermedaille 2018. Die Bekanntgabe der/des Preisträger(s) erfolgt im Rahmen des „International Animal Health Events“ am 15. November 2018 in Hannover.
Alle prämierten Produkte stellen – wie immer – den idealen Leitfaden für all jene Besucher der EuroTier dar, die gezielt nach Innovationen Ausschau halten, und können somit „nebenbei“ auch den effizienten Besuch der Ausstellung erleichtern.
Zu den insgesamt 14 Sachgebieten, zu denen diesjährig die meisten Neuheiten eingereicht wurden (mehr als 200), zählen die „Betriebsmittel und die Technik für den Betriebsmitteleinsatz“, die „Haltungs- und Fütterungstechnik bei Schwein und Rind“, die „Digitalen Lösungen für das Herdenmanagement und die Qualitätssicherung“ sowie die Bereiche „Geräte, Zubehör und Ersatzteile“ und die „Klima- und Umwelttechnik“.
Insgesamt spiegeln die zur EuroTier 2018 verliehenen Medaillen die Breite der jeweiligen Sachgebiete wider, wobei der diesjährige Schwerpunkt sehr klar bei der Weiterentwicklung bekannter Produkte liegt, bei denen eine wesentliche Verbesserung der Funktion und des Verfahrens zu erwarten ist.
Trends bei „Betriebsmitteln und Technik für den Betriebsmitteleinsatz“
Im Bereich der Betriebsmittel fokussieren spezielle (Ergänzungs-)Futtermittel und/oder Futterzusatzstoffe bei der Nutztierhaltung nicht nur auf eine effizientere Futterverwertung, sondern auch auf eine Förderung bzw. bessere Nutzung (einheimischer) Futtermittel. Denn vor dem Hintergrund z.B. immer stärkerer Verbraucherforderungen nach nachhaltiger Milchproduktion wird nach dem GVO-Verzicht in Futtermitteln der Fokus inzwischen auch kritisch auf die Verwendung von Palmöl bzw. daraus hergestellter Palmfettprodukte gelegt; daher sind Alternativen gefragt. Ebenso stellen fütterungsbasierte Ansätze zur Vermeidung von Ebergeruch eine sehr sinnvolle Ergänzung zu bestehenden „Alternativen“ dar.
Trends in der „Schweinehaltung“
Einer der Schwerpunkte im Bereich der Schweinehaltung liegt dieses Jahr in der Verbesserung der Arbeitsweise, Funktionsfähigkeit und der einfachen Kontrolle sowie Reinigung der „Problemstellen“ von Fördersystemen für Trockenfütterungsanlagen. Darüber hinaus zeigt sich in diesem Themenbereich eindeutig, dass sich auch bei der Reinigung von Futtertrögen noch völlig neue Produktideen realisieren lassen, welche die Qualität und Effizienz von Reinigungsarbeiten stark verbessern können. Denn eine optimale Futterhygiene ist für die Tiergesundheit und die Leistung in der Schweinehaltung unerlässlich. Die Reduktion von (Ammoniak-)Emissionen wird in der Tierhaltung zukünftig eine noch zentralere Rolle spielen. Im Bereich der Entmistung ist eine funktionsfähige und praxistaugliche Umsetzung der Kot-Harn-Trennung eine grundsätzliche Möglichkeit, um die Freisetzung von Ammoniak zu vermindern. Ziel ist es hierbei, einerseits den auf der Oberfläche verbleibenden Kot sowie Einstreu oder Reste organischen Beschäftigungsmaterials gesamt aus der Bucht zu befördern, und andererseits den abgesetzten Harn „direkt“ durch entsprechende Öffnungen separat vollständig abzuleiten.
Trends in der „Rinderhaltung“
Im Bereich der Rinderhaltung ist es weiterhin ein erklärtes Ziel, die Verfahrenskette von automatisierter Futterentnahme, -transport, -mischung und -vorlage vollständig autonom zu realisieren. Hier sind Systeme gefragt, die unterschiedliche Futtersilos ansteuern und auch problemlos in mehreren Ställen eingesetzt werden können. Im Bereich des Ein- bzw. Nachstreuens und der Entmistung gehören autonome Systeme inzwischen zum Stand der Technik; nun aber werden diese Verfahren kombiniert oder mit zusätzlichen Sensoren bestückt, um einen besseren Einblick in die Haltungsumwelt der Tiere zu bekommen.
Ein weiterer Trend geht in Richtung der Verbesserung der Sicherheit und Überwachung von Selbstfangfressgittern und der technischen Einrichtungen zur automatischen Steuerung des gelenkten Kuhverkehrs bzw. der dafür notwendigen elektronischen Ansteuerung der Durchlasstore. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die automatisierte Früherkennung von Klauenproblemen dar. Denn das möglichst frühzeitige Erkennen von Klauenproblemen bzw. Lahmheit durch „präventives Monitoring“ dient nicht nur der Klauengesundheit, sondern kann darüber hinaus auch zum tierindividuellen Management der Klauenpflege genutzt werden. Im Bereich der Befestigung von Klauenklötzen in der Klauenpflege und der Temperierung zuvor gekühlten oder gefrorenen Kolostrums zeigt sich, dass es zu den in der Praxis oft umständlichen und sehr provisorischen Maßnahmen auch innovative alternative Lösungen gibt.
Trends in der „Melktechnik“
Die Entwicklungen in der Melktechnik beschäftigen sich in diesem Jahr mit den Bereichen der verbesserten Erfassung der Milchmenge ohne (nachteilige) Beeinflussung des Milchflusses, der Vorhersage der tierindividuellen Milchabgabe während des Melkens zur zeiteffizienteren Ansteuerung der Melk- bzw. Verfahrenstechnik und der Alternative zu herkömmlichen Zitzengummis, deren Austausch nicht nur sehr zeitaufwendig ist.
Trends in der „Geflügelhaltung“
In der Geflügelhaltung zeigt sich ein ähnlicher Trend wie in der Rinderhaltung, nämlich dass die Verfahrenstechnik zum Einstreumanagement mit zusätzlichen Sensoren kombiniert wird, um z.B. Stallklimaparameter, räumliche Temperarturverteilung und Tiergewichte mit zu erfassen. Ebenso wird sich der Förderung der Tränkewasserhygiene durch die vereinfachte Umsetzung praxiserprobter Reinigungs- und Desinfektionsstrategien gewidmet. Denn die optimale Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Tränkwasser ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gesunderhaltung und die Leistungsfähigkeit des Geflügels. Darüber hinaus sind (Probenahme-)Verfahren zur Durchführung unterschiedlicher Tests zum Erkennen des Geschlechts von Bruteiern in der Umsetzung begriffen.
Trends bei „Digitalen Lösungen für das Herdenmanagement und die Qualitätssicherung“
Die digitalen Lösungen für das Herdenmanagement und zur Qualitätssicherung fokussieren dieses Jahr besonders auf den Bereich der – möglichst automatischen oder vereinfachten – Gesundheitsüberwachung des individuellen Nutztiers. Hierbei geht es u.a. um Lösungen, mit denen „analoge Techniken“, wie z.B. Fieberthermometer, digital vernetzt werden können, oder um neue praxistauglichere Sensorik, die „Tierdaten“ liefert und diese z.B. für (Fruchtbarkeits-)Management, Gesundheitsüberwachung und Krankheitsfrüherkennung sowie zur Dokumentation nutzt. Des Weiteren zieht die Augmented Reality nun auch in den Nutztierstall ein, um Daten zum Management und zur Entscheidungshilfe ortsspezifisch und tierindividuell automatisch „in den Blick“ geführt zu bekommen.
Fazit
Insgesamt zeigen die beispielhaft ausgewählten Trends sehr deutlich, dass sich ein Besuch auf der EuroTier 2018 – wie immer – als eine der besten Entscheidungen des Jahres lohnt.
Bild & Text: eurotier.com