Zulässige Partikelkonzentration überschritten? Relative Luftfeuchtigkeit über dem Limit? Zu hohe Temperatur gefährdet die Stabilität eines Wirkstoffs? In diesen Fällen und ganz allgemein beim Auftreten kritischer Zustände im Reinraum kann das Mitarbeiter-Team von einem konsequenten digitalen Monitoring profitieren: sofortiger Alarm, umfassender Überblick über die Situation, schnelle Reaktion und zeitnahes Gegensteuern sind dann möglich. Allerdings fällt es nicht immer leicht, die modernen Verfahren in die gewachsenen analogen Strukturen eines Pharmaunternehmens zu integrieren. Da Reinräume in jeder Hinsicht als besonders sensible Bereiche anzusehen sind, könnten sie auch beim digitalen Monitoring zu den Vorreitern gehören. Ein Besuch der diesjährigen Messe Cleanzone am Dienstag/Mittwoch, 17. + 18. 10.2017, in Frankfurt am Main, zeigt die Zukunftsperspektiven auf.
In vielen Bereichen der Pharmaproduktion und -analytik liegen die Vorteile einer umfassenden Vernetzung von Maschinen, Messgeräten und Dokumentationssystemen auf der Hand. Im Sinne des bekannten Schlagworts „Industrie 4.0“ erleichtern zeitgemäße digitale Lösungen eine effiziente Steuerung, die Rückverfolgbarkeit von Chargen und die Detektion möglicher Unregelmäßigkeiten und Fehler. Doch nicht alles, was digitale Werte ausgibt, arbeitet von A bis Z digital. So gibt es teildigitalisierte Systeme, aber auch physikalische Grundbedingungen, die einen Übergang zwischen analog und digital nötig machen.
Zum Beispiel fallen bei der Überwachung einer Sterilproduktion von Arzneimitteln, einer sterilen Abfüllung, oder einer Sterilverpackung meist analoge Daten an. Als wesentliche Messgröße ermittelt man die Anzahl luftgetragener Partikel in einem vordefinierten Volumen. Dies erfolgt in der industriellen Praxis unter GMP-Bedingungen (Gute Herstellungspraxis) in den Reinraumzonen A und B kontinuierlich, während die Werte für Zone C stündlich bis monatlich und für Zone D täglich bis jährlich erhoben werden. Da Partikel als potenzielle Träger von Keimen angesehen werden können, gehen die vom Partikelzähler gelieferten Daten auch in die Risikoabschätzung für die Keimbelastung ein.
Kontinuierlich überwacht wird darüber hinaus zum Beispiel der Differenzdruck zwischen unterschiedlichen Reinraumzonen und natürlich des Reinraums gegenüber dem ihn umgebenden unreinen Bereich. Eine weitere wichtige Größe wird häufig die relative Feuchte darstellen. Nach einer Faustregel sollte man außerdem an Orten, wo sich das Medikament oder ein anderes Produkt länger als 24 Stunden befindet, ein Monitoring der Temperatur vornehmen. Ob man sie über eine Widerstandsmessung ermittelt oder auf andere Weise – die Daten sind primär analog.
Gleich nach dem Messen: Umwandlung von analog in digital
In traditionellen Werken erfolgt auch die Weiterleitung dieser Daten weitgehend über Analogkabel. Dabei bietet die digitale Alternative deutliche Vorteile: Während mit einem analogen Kabel immer nur ein Signal übermittelt wird, schafft ein digitales enorm viele – darum kann man heute schließlich auch so viele Fernsehsender empfangen und nicht nur zwei oder drei. In der Messtechnik erschließt dieses Prinzip die Möglichkeit, viele Daten an verschiedenen Stellen abzugreifen und über ein einziges Kabel aus dem Reinraum herauszuleiten (z.B. Modbus-Systeme). Gleichzeitig lässt sich auch die zuverlässige Funktion der Geräte selbst mitüberprüfen und so zum Beispiel eine „schwächelnde“ Messzelle schnell erkennen und austauschen.
Auch bei der Einschätzung der Zuverlässigkeit der Ergebnisse hilft die digitale Übermittlung. Wie beim alten Fernsehen immer wieder einmal das Bild rauschte, können ganz allgemein analoge Signale durch Motoren, andere Antriebe oder Bildschirme gestört werden. Bei digitaler Übertragung erhält man entweder ein brillantes Bild bzw. ein sauberes Signal oder gar keins (= Störung).
Wenn nun die Datenerfassung immer analog erfolgt und die Datenspeicherung inklusive der Darstellung zeitlicher Verläufe etc. immer digital, so stellt sich natürlich die Frage: An welcher Stelle sollte die Signal-Umwandlung stattfinden? Im Hinblick auf mögliche Störeffekte lautet die Antwort: so nahe wie möglich an der Messspitze. Bei modernen Messfühlern kann schon zwei Millimeter vom Sensor entfernt alles erfolgt sein: sowohl die rein technische A/D-Umwandlung als auch die Umrechnung in den interessierenden Messwert unter Berücksichtigung von Kalibrationsdaten.
In Zukunft alles per Funk?
Nimmt man das Schlagwort „Industrie 4.0“ ernst, so sollte sich in Zukunft nicht nur der digitale Wert unmittelbar im Messfühler generieren lassen. Darüber hinaus sollten sich auch Werte an verschiedenen Messstellen oder sogar unterschiedliche Messgrößen (Partikelbelastung, Temperatur, Feuchte) miteinander korrelieren lassen. Dazu würden mehrere Geräte im Reinraum miteinander kommunizieren, um schon vor Überschreitung einzelner Grenzwerte ein Warnsignal an den Leitstand geben zu können: „Achtung, es ist zwar noch alles im grünen Bereich, aber das Gesamtbild der Messwerte entwickelt sich in eine Richtung, die nicht mehr dem Normalbetrieb entspricht.“ Ist das realistisch?
„Es gibt schon die Möglichkeit, dass eine Steuerung bei zu hoher Partikelkonzentration Maschinen selbstständig abschaltet. Der Leitstand wird dann später informiert“, erklärt Thomas Christen, Technischer Direktor bei vali.sys, Wetzikon. „Man könnte sich natürlich, statt eines einzigen Soll-/Ist-Vergleichs, ein Poolen verschiedener Messdaten vorstellen. Dies wird zwar in der betrieblichen Realität längst nicht gelebt, birgt aber Chancen für die Zukunft.“
Zu den avancierten Konzepten zählen auch Systeme mit Messfühlern, die Daten per Funk in die Cloud übertragen. Direkt von dort werden etwaige Alarme ausgelöst. Für den Anwender bedeutet dies: keine Server, keine Updates, Zugriff von überall – ein 100 % internetbasiertes System. „Von dieser Chance machen die Lebensmittelproduktion oder auch klimaüberwachte Lagerhäuser bereits Gebrauch“, berichtet Philippe Trösch, Sales Engineer bei Novasina in Lachen. „Die Lösung für Unternehmen, die hier aus regulatorischen oder anderen Gründen zögerlicher sind oder zum Beispiel auf ihre bestehende Server-Struktur nicht verzichten möchten, lautet: extrem modular aufgebaute Systeme.“ Der Einsatz im Reinraum als einer eigenen, überschaubaren „Welt für sich“ könnte sich dafür sogar in besonderer Weise anbieten.
Diese und viele andere Ideen nimmt der Messebesucher von der Cleanzone mit in den eigenen Betrieb und kann womöglich schon am nächsten Tag damit beginnen, sie dort umzusetzen – ob im Rahmen vorteilhafter Konzepte anlässlich einer Neuinstallation oder in einer schrittweisen Integration digitaler Monitoring-Lösungen in bestehende Pharma-Reinräume.