– IFAT-Auftakt mit Bundesumweltministerin Schulze
– „Es gibt nicht die eine große Lösung bei der Plastikfrage“
– „Plastik widerspricht den Fundamenten der Nachhaltigkeit“
Die Eröffnung der IFAT 2018 startete mit einer hitzigen Diskussion über das vielleicht größte Umwelt-Thema unserer Zeit: Wie soll die Menschheit künftig mit dem Material Plastik umgehen, das die Weltmeere vermüllt, Tiere tötet und mit unabsehbaren Folgen wieder zurück in der Nahrungskette landet? Die Teilnehmer der Diskussion waren sich einig: So wie bisher kann und soll es nicht weitergehen. Moderiert wurde die Debatte vom Fernsehjournalisten Dirk Steffens. Die eindrücklichste Begegnung mit dem globalen Plastikproblem beschrieb eine britische Umweltaktivistin: eine Kollision mit einem Plastikberg auf dem Meer.
Bei der Münchner Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT (14. bis 18. Mai 2018) stand während der offiziellen Eröffnung am Montagvormittag die Abfallwirtschaft im Fokus. Eine Podiumsdiskussion trug den Titel: „rethink – reduce – recycle plastic: Innovative Solutions to protect our Rivers and Oceans.“ Der Geschäftsführer der Messe München, Stefan Rummel, gab mit seiner Eröffnungsrede den Startschuss zur Debatte ab: „Innovative Recycling-Technologien wie auf der IFAT können nicht die einzige Lösung sein für 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff, die seit 1950 produziert wurden. Bei der Herausforderung Plastikmüll sind alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette gefragt.“
Auch die Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte ein paar einleitende Worte zum Thema Plastik parat. Bei ihrer IFAT-Eröffnungsrede hob sie einerseits die Macht der Konsumenten hervor und nannte einen Ansatz, wie man künftig handeln könnte: „Wir sollten Plastik und überflüssigen Müll vermeiden. Wir müssen künftig Ressourcen schonen und Wirtschaftswachstum von Rohstoffverbrauch entkoppeln. Niemand will Plastik im Meer.“ Schulze hob auch den wirtschaftlichen Stellenwert der Recyclingbranche hervor: „Der Umsatz in der Kreislaufwirtschaft in Deutschland beträgt mittlerweile 70 Milliarden jährlich.“ Das sei ein sehr hoher Anteil an der Gesamtwirtschaft.
Gegen Mittag begann die Podiumsdiskussion rethink – reduce – recycle plastic. Die Teilnehmer kamen aus Industrie, Wirtschaft und Umweltschutz: Dr. Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer von PlasticsEurope Deutschland e.V., Giulio Bonazzi, Präsident des Kunststoffherstellers Aquafil S.p.A., James Carnes, Vizepräsident der globalen Markenstrategie bei Adidas, Kim Cornelius Detloff, Leiter des Meeresschutzes beim Naturschutzbund Deutschland e.V. und Emily Penn, Meeresaktivistin. Moderator Steffens stellte Penn gleich die erste Frage: „Warum sind Sie eigentlich Meeresaktivistin geworden und kämpfen nun gegen Plastik?“ Penns Antwort war eindrücklich: „Ich hatte ein Erweckungserlebnis auf der Reise von England nach Australien. Als die Passagiere nachts schliefen, rammte unser Schiff einen Plastikberg, mitten auf dem Ozean, abseits jeder Zivilisation. Davon wachten wir alle auf, weil der Knall so laut war.“ Penns Lösungsansatz für das Plastikproblem: „Die Menschheit muss Plastikmüll weitgehend vermeiden. Was im Ozean liegt, kann man kaum wieder herausholen. Der Großteil sinkt ab in die Tiefe und zerbricht in Mikro-Teilchen. Auf der Meeresoberfläche sieht man nur einen kleinen Teil des Plastikmülls.“
Umweltschützer Detloff findet das problematische Material widersprüchlich. „Plastik herzustellen ist genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit“, sagt der Meeresschützer. Er orientiert sich am Modell Flaschenpfand und sieht den Staat in der Pflicht: „Wir müssen alles aus den Meeren holen, was wir können – und recyceln. Und es müssen Gesetze her. Sogar ein Entwicklungsland wie Ruanda hat bereits Plastiktüten verboten. Deutschland muss zumindest Steuern auf Plastik erheben.“ Ich denke, auf freiwilliger Basis wird sich da nicht viel ändern.“
Der italienische Kunststoff-Experte Giulio Bonazzi wies auf die komplizierten Recycling-Verfahren hin, die schon bei einfachen Plastikgegenständen notwendig sind, wie etwa bei Plastikflaschen. Er sieht darin aber auch eine Chance: „Sie können Plastikflaschen nicht einfach einschmelzen und neue herstellen. Dann haben sie kein durchsichtiges Material mehr. In vielen Ländern wie Italien ist es gesetzlich geregelt, dass Plastikflaschen durchsichtig sein müssen.“ Es seien viel mehr chemische Prozesse notwendig, um solche Flaschen neu zu verwerten: „Genau hier sehe ich die große Chance. Wer mit chemischen Verfahren recycelt, wie unser Unternehmen es tut, arbeitet nachhaltig. So können Sie ein Kilogramm Altplastik zu fast einem Kilogramm Neumaterial verwandeln – ein beinahe ewiger Kreislauf!“
In diesen Kreislauf ist mittlerweile auch Adidas eingestiegen. Markenstratege Carnes treibt auch der mögliche Imageschaden der Zukunft um. „Wir haben nun eine Million Schuhe der Reihe Adidas Parley hergestellt. Sie sind aus dem Plastikmüll der Ozeane recycelt worden. In Zukunf wird es normal sein, Produkte zu kaufen, die aus ähnlichem Recycling-Material bestehen“, sagte Carnes. Es könne sogar sein, dass Konsumenten auf Produkte verzichten, die nicht recycelt wurden, weshalb die Branche umdenke. Für Carnes ist es wichtig, dass vor allem in Bildung investiert wird. „Seit Jahrzehnten wird darüber gesprochen, wie wir künftigen Generationen eine bessere Welt hinterlassen können. Es ist genauso wichtig, in Bildung zu investieren und somit der Welt bessere Menschen zu hinterlassen.“
„Es gibt nicht die eine Lösung für die Bewältigung des Plastikproblems“, sagte Baunemann von PlasticsEurope. Es würde zum Beispiel nichts bringen, ausschließlich auf zerfallendes Plastik zu setzen. Baunemann führte ein plakatives Beispiel auf: „Sie wollen ja nicht, dass etwa Plastikteile in ihrem Auto irgendwann zerfallen.“ Daher brauche jede Produktgruppe eigene Lösungsansätze, um künftig gegen Plastikmüll anzukämpfen. Auch Baunemann sieht einen ähnliche Entwicklung wie Carnes: „Recycelbare Waren – sogenannte Recylate – könnten bei Konsumenten der Trend der Zukunft sein.“
Bild & Text: ifat.de