Gut beraten geht’s auch „gut betucht“ in die nächste Segelsaison
13. September 2018 | Hamburg – Hightech-Folie oder bewährtes Dacron-Gewebe, Rollanlage oder Stagreiter, Allroundschnitt oder Spezialsegel? Viele Fragen hat so mancher Freizeitkapitän, wenn er sein Segelboot während des Winters für die kommende Saison neu einkleiden will. Die fachgerechten Antworten wissen insgesamt 21 Segelmacher auf der Hamburg Boat Show (HBS), die von Mittwoch, 17. Oktober, bis Sonntag, 21. Oktober auf dem Messegelände unterm Fernsehturm in den Hallen B5, B6 und B7 erstmals ihre Tore öffnet.
„Die persönliche Beratung am Messestand ist weder durchs Internet, noch durch einen Prospekt zu ersetzen“, bricht Christian Tinnemeyer vom Kieler Segelmacher Faber+Münker eine Lanze für die Messe im Norden. Die Bandbreite an Materialien und Verarbeitungsmöglichkeiten sei so enorm groß geworden, dass sie den Kunden schlicht überfordere. Im Gespräch würden zunächst die Bedürfnisse des Eigners analysiert, um ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein maßgeschneidertes Produkt anzubieten. Darauf setzt auch Jens Nickel von der Segelwerkstatt Stade, der einen „erheblichen Prozentsatz des Jahresumsatzes“ auf der Ausstellung erwartet und mit seinem gesamten Fünfer-Team über die fünf Tage auf der Hamburg Boat Show im Einsatz ist. Er rät den Besuchern, lieber etwas mehr Geld in die Grundbesegelung zu investieren, als in ein drittes oder viertes Zusatzsegel. „Besonders Kurzstrecken und Tagestörns werden zu mindestens 80 Prozent mit Groß und Rollgenua gefahren“, so Nickel, „die Bereitschaft zum Segelwechsel ist gering.“
„Es gibt nur noch ganz wenige Individualisten, die auf mehrere, verschiedene Vorsegel von der Fock I bis zur überlappenden Genua schwören“, sagt Jan Heinritz von Jan-Segel in Großenbrode. Der Standard ‚Rollvorsegelanlage‘ sei jedoch nicht nur ein Stück Bequemlichkeit, sondern auch ein echter Sicherheitsaspekt vor allem bei kleinen Crews. „Das beruhigt die Dame an Bord enorm, wenn der Mann nicht mehr bei Wind und Wetter auf dem Vorschiff rumturnen muss“, so Heinritz. Er betont zudem die Bedeutung von UV-Schutz, mit dem die Langlebigkeit von Segeln enorm verlängert wird. „Cruiser benutzen am besten einen Vorsegelschlauch für die Rollgenua, der immer drüber gezogen werden sollte, sobald das Schiff für mehrere Tage verlassen wird.“ Einig sind sich die norddeutschen Segelmacher, dass werftseitig „segelfertig“ ausgelieferte Serienboote zumeist nur eine sehr einfache, weil preiswerte Segelausrüstung mitbringen. Viele Eigner verzichten da lieber von vorne herein drauf oder packen die Erstausstattung gleich für den Zweitbesitzer beiseite. Den ersten Anzug aber bestellen sie beim Segelmacher ihrer Wahl, gerne auch mit eigener Fertigung vor Ort, um die Umweltbilanz bei Herstellung und Transport mit zu berücksichtigen.
Diese Problematik stellt sich den Regattacracks auf hohem Niveau nicht. „Beim Wettsegeln in der Grand-Prix-Klasse kommt es natürlich in allererster Linie auf die Performance, sprich den Vortrieb an, den die Segel erzeugen“, sagt Sven-P. Krause von Quantum Sails Germany aus Flensburg. Gemeinsam mit den Riggern (Mastbauer) und den Trimmern aus der Crew würden die Segel entwickelt. Von der Anfrage bis zur Fertigstellung könne es durchaus zweieinhalb Monate dauern, bis eine Fock das erste Mal gesetzt werden kann. Während die Regattaszene schon länger ganz überwiegend von Membran-/Foliensegeln geprägt ist und weißes Dacrontuch als Hybrid höchstens auf Überführungen im Langfahrtbetrieb eingesetzt wird, greift das zunehmend auch auf die Fahrtensegler durch, hat Faber+Münker festgestellt. „Weil die Kunden im Schnitt immer älter werden, soll die ‚Garderobe‘ im gleichen Zug möglichst immer leichter werden“, erläutert Tinnemeier.
„Abgesehen vom Alter nimmt auch die Anzahl der Einhandsegler zu, die lieber allein unterwegs sind“, berichtet Jens Nickel, „die brauchen vor allem weiche Tücher, die besser zu handhaben sind, aber auch clevere Bergesysteme, deren laufendes Gut zudem ins Cockpit umgelenkt ist.“ Genauso wie beim Thema Fallen und Schoten spiele für die Segelwerkstatt Stade das Thema Haltbarkeit eine Rolle, die von den meisten Skippern mit sieben bis zehn Jahren erwartet werde.
Text & Bild: DBSV Service GmbH